Zwanzig-Zwei-Drei – The year of Triple A

2023 neigt sich seinem Ende zu, im oberen Glaskörper des Stundeglases des ausgehenden Jahres verbleiben nur noch einige wenige Sandkörner und es wird höchste Zeit mein ganz persönliches Jahresresümee zu ziehen. Wie all die vergangenen Jahre darf auch nicht der Blick auf unsere Klettergebiete fehlen und diesen möchte ich Euch nicht vorenthalten.

Für die Welt ist das Jahr nochmal knapp gut ausgegangen, in unserem kleinen heilen Kletteruniversum konnten wir immer mal wieder in Deckung gehen, wenn uns im real life die Fetzen um die Ohren flogen. Und dafür gaben uns die irrsinnigen Entwicklungen im vergangenen Jahr wahrlich genug Gelegenheit. Trotzdem, in Sachen Neutouren wurde ein historischer Tiefstand verbucht, ganz 15 Routen sind in die DB eingegangen, die das Label 2023 führen. Es dauerte bis in den April, bis die ersten zwei Neutouren verkündet werden konnte – zwei Routen der Kategorie „ unter ferner liefen“, aber immerhin. Bis September kleckerten 10 weitere hinterher und im November noch zwei Nachzügler. Alle Neutouren sensu stricto sind Resterschließungen aller erste Güte, Varianten zu bestehenden Routen, EVs oder AVs, darunter welche die durchaus schön sind, so im Kasparek-Theater, aber eben Kurzware, um die wir vor Jahren einen Bogen gemacht hätten. Ein klares Indiz dafür, dass unser Gebiet in Sachen neue großen Linien am Ende der Fahnenstange angekommen ist und wenn da nicht, wie auch in den letzten Jahren, einige Uraltprojekte aus den höffigen Zeiten auf Gnade vor Recht gewartet hätten, mein Urteil bezüglich der Neutouren 2023 wäre verheerend ausgefallen.

Doch Dank Swens nobler Geste seine im Gebiet verteilten, zugegeben manchmal futuristisch anmutenden, Projekte frei zu geben, kamen auch in diesem Jahr ein paar Neutouren dazu, die aufmerken lassen und mit den Linien aus der guten alten Zeit mithalten können. Für diesen feinen Zug ein dickes Dankeschön an Swen, Deine Entscheidung hat in diesem Jahr dem Klettergebiet in Sachen Neutouren den Allerwertesten gerettet.

Fun Fact 2023 gefällig? Alle Neutouren gehen, bis auf eine Ausnahme in den Grotten, auf das Konto der drei Alexe – the year of AAA. Alex Preis hat sich um lohnende Varianten im Kasparek -Theater gekümmert, meine Wenigkeit konnte ebenfalls mit der einen Resterschließung und Variante punkten  und der Alex Horvath konzentrierte sich auf die im Gebiet verteilten hammerharten Altprojekte vom Swen. Aus diesem Fundus hat er, der in diesem Jahr einen wahnsinnigen Lauf im Gebiet hatte und damit endgültig das Staffelholz des Meisters des Basaltsports übernommen hat, die ganz großen, weckhammerverdächtigen Routen geklettert.

Noch im November kletterte er in der Krypta die Scharlatan IX-, die rechts der Red Snapper durch die abdrängend Wand führt und ab dem 3. Haken stramme Sequenzen an Seitgriffen und Fingerlöchern im überraschend glatten Basalt bietet. Mit der Slim Shady IX  links der Lydia im ganz rechten Teil des Kasparek-Theaters legte er noch ein Schippe drauf. In diesem von Gereon freigegebenen Projekt geht es in einer strukturdefizitären Verschneidung voll zur Sache. Sobald die Füße vom Boden abheben reiht sich in der Tour ein boulderlastiger Verschneidungszug im Chickamauga-Stil an den anderen.

Und so ist es für mich in diesem Jahr eine Kaffeefahrt den Goldenen Weckhammer 2023 an den Mann zu bringen. Ihr werdet es nicht glauben, der Alex bekommt ihn. Doch welcher? Und welche Route wird es sein? Easy. Wer in den letzten Jahren in der Music Hall unterwegs war, dem ist sicherlich ein Projekt vom Swen links der Trance of Nature aufgefallen, das strack den Pfeiler zwischen dieser Tour und dem Gräflichen Riss hochzieht. Alle haben sich bei diesem Anblick gedacht “Hat der Swen noch alle Latten am Zaun?”. Hatte er – und Alex Horvath hat das Teil im September bei recht molligen Temperaturen geklettert. Die Ayahuasca schlägt mit 9+/10- zu Buche, nichts mehr für Normalsterbliche, hat aber eine eigenständige Routenführung, welche die komplette Trickkiste anspruchsvoller Kantenkletterei abgefragt und reiht sich nahtlos in die hall of fame der großen Kantenklettereien des Gebietes ein.

Congrats Alex für den Goldenen Weckhammer 2023 und ich habe den dumpfen Verdacht, dass Du Dir in Deinem Pokalschrank noch etwas Platz lassen solltest, Du Dich im Gebiet erst so richtig warmläufst und 2024 dafür sorgen wirst, dass noch ein paar weitere Augenöffner an die Wand kommen – ich bin gespannt.

Das war nun der fokussierte Blick auf das Klettergeschehen in den Gruben. Gab es sonst noch was besonderes im Jahr? OK, die neuen Parkgebühren. Viele staunten im Juni, ob der frisch installierten Parkuhr am Parkplatz der Ettringer Lay, doch inzwischen ist das bei allen angekommen und wird angenommen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass nun offiziell die Übernachtung mit dem Camper auf dem Parkplatz statthaft ist. Win win würde ich sagen.

Im Dezember wurde in der Rheinzeitung über das Aus für das Mühlsteinrevier als Kandidat für das Weltkulturerbe berichtet. Seit einigen Jahren wurde sich in der Region mit Herzblut dafür eingesetzt für das Mühlsteinrevier Rhein-Eifel den Status eines Unesco-Weltkulturerbes zu erlangen. Die erstinstanzliche Prüfung durch die Kultusministerkonferenz ging aus verschiedenen Gründen in die Hose. Darunter war das Sportklettern in der Ettringer Lay den Prüfern ein Dorn im Auge. What? Haben die den Schuss nicht gehört? Seit über einer Generation wird in den Basaltgruben geklettert, die Klettergebiete genießen europaweiten, ja weltweiten, Bekanntheitsgrad, die Kletterei ist absolut einzigartig, zwischen Kletterern und Gemeinden herrscht ein gedeihliches Miteinander, viele dort oben wissen, dass sie mit den Klettergebieten noch ein weiteres Alleinstellungsmerkmal vor der Haustüre haben. Völlig unverständlich diese Entscheidung, an anderen Orten, an denen geklettert wird, hat das problemlos geklappt. Andererseits, wenn ich sehe welche Projekte durchgekommen sind und es auf die Vorschlagsliste geschafft haben – so der Fernsehturm von Stuttgart oder der Olympiapark in München – kannste fast froh sein rausgeflogen zu sein, dachte ich bei mir – unsere Geologie, Vulkanologie, Bergbaugeschichte von Bronzezeit bis heute, die Klettergeschichte der Gebiete, die haben Besseres verdient und lassen sich von sowas nicht unterkriegen.

Die Klettersaison endete im November mit einem schweren Unfall an der Großen Wand, als ich über die Details des Unglücks in Kenntnis gesetzt wurde gefror mir das Blut in den Adern, alle Ingredienzen für eine Vollkatastrophe waren gegeben. Glücklicherweise ist diese nicht eingetreten, Ralf hat schwer verletzt überlebt und wird trotz seiner schweren Verletzungen wieder auf die Beine kommen. Sicherlich ein langer, harter Weg und von Herzen an dieser Stelle meine besten Genesungswünsche für Ihn.

In der Sanduhr von 2023 gehen langsam die Sandkörner aus, viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Aber ich beende meinen Rückblick nicht, ohne meinen Dank an alle, die mir in diesem Jahr en detail die Infos zu ihren Neutouren haben zukommen lassen. Alex und Alex, ohne Eure exakten Infos wäre der treue Chronist aufgeschmissen gewesen.

Rainer Maximini und Daniel Limbach möchte ich für Ihren Support der Homepage danken, ohne die beiden würde das Teil in null Komma nichts wir der Adler Napoleons vor Waterloo abschmieren. Danke!

Hendrik, keine vielen Worte, auch in diesem Jahr war es mir wieder eine Freude mit Dir im Hintergrund die Strippen zum Wohle des Klettergebietes zu ziehen. Ohne Deinen Einsatz und mit der Unterstützung der DAV Sektion Koblenz wären in den Gruben schon mehrmals die Lichter ausgegangen. Schauen wir mal, was wir in gemeinsamer Sorge 2024 reißen können, meine Tastatur bleibt scharf geschaltet, wohlgewogene augenzwinkernde Satzkonstrukte inklusive.

Jetzt bleibt mir nur noch Euch allen ein glückliches und gesundes neues Jahr zu wünschen, hoffentlich eines in dem sich die aus den Fugen geratene Welt spürbar berappelt und Ihr alle viele Gelegenheiten habt, um in den großen und kleine Felsen dieser mit Rissen durchzogenen Welt immer auf der sicheren Seite unterwegs zu sein.

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