Doll gemacht

Der Start in die neue Klettersaison verlief bis dato mit angezogener Handbremse, Januar und Februar waren wettertechnische Totalausfälle und der März brachte, trotz weniger Lichtblicke, auch nichts berichtenswertes in Sachen Neutouren in den Gruben. Die wenigen schönen Klettertage wurden dazu genutzt, um in den etablierten Routen gepflegt sonnige  Klettermeter zu machen, die in den Wintermonaten eingerosteten Gelenke auf Betriebstemperatur zu bringen, um wieder das Feeling für den Basalt zu bekommen, anstatt stundenlang ein paar Quadratmeter freien Fels zu putzen, den Bohrer zu schwingen und Moves auszuchecken, um für das Gebiet eine weitere Neutour herauszukitzeln.

Doch immerhin haben Alex, Job van Hemert, Hendrik Doll und Timon Lauck dafür gesorgt, dass ich nicht mit ganz leeren Händen für diese News da stehe. Alex hat im Februar eine der wenigen trockenen Momente mit den passenden Temperaturen ausgenutzt und im Kühlschrank der Rigorsosum die längst überfällige zweite Begehung verpasst. Gute 16 Jahre hat diese knackige Kantenlinie darauf warten müssen. Im März legte er mit einem Durchstieg der Doom im Bierkeller nach, die ebenfalls in den vergangenen 23 Jahren nicht sehr viel Verkehr gesehen hat. Auf meinem Zähler wäre das die 4. Begehung, aber es kann durchaus sein, dass unter dem Radar weitere Durchstiege gelaufen sind, doch eins ist klar – viele haben die herbe Crux in der stark abdrängenden Verschneidung nicht durchziehen können. Pünktlich zum Redaktionsschluss glücke ihm noch die zweite Begehung der Stählernen Realität im Sektor Eckstein . Ganze 17 Jahre musste die strukturdefizitäre sowie fußtechnisch fordernde Cruxpassage im unteren Wandteil darauf warten, bis sich ihr erneut einer erbarmte. In summa, ein Saisonstart nach Maß für Alex und ich bin mir sicher – more to come.

Job hat sich einer weiteren schweren Kantenlinie aus meinen Glanzzeiten gewidmet und Ende März die meines Wissens nach 4. Begehung der 1000 Tesla im Kasparek-Theater gemacht. Dafür sind nach der 3. Begehung durch Klaus Ruppert immerhin solide 20 Jahre ins Land gegangen. Der Kaltlufteinbruch an diesem Tag bescherte Job beste Bedingungen für diese grandiose Kantenklatsche, trotzdem wurde sein Durchstieg durch Hagelschauer ordentlich aufgemischt, die den ein oder anderen Zug an der Kante dann doch recht spannend gestalteten. Job hat dabei die Bewertung etwas nach unten korrigiert, seinem Empfinden nach eher 8a statt 8a+, aber egal, die Linie bleibt damit in der Grauzone des unteren 10. Grades und zu allem Überfluss noch eine 5-Sterne Tour.

Hendrik Doll hat in der Music Hall eine weitere Altlast abgetragen. Ganze 18 Jahre musste der pralle Pfeiler der Nimmermehr darauf warten, bis sich jemand der Sache annahm ihn in direkter Linie vom Absatz am Beginn des Pfeilers zu durchsteigen. Bis dato wurde auf der Höhe des zweiten Hakens aus der Meister Proper an den Pfeiler gequert, steuert ihr diesen nun direkt vom Absatz an, könnt ihr Euch auf eine kernige boulderlastige Passage einstellen, die aus der Nimmermehr einen satten 9er macht. Well done Hendrik!

Last, but not least hat Timon an den Ostertagen gezeigt was im high end Bereich mit natürlicher Absicherung in unserem Gebiet möglich ist, solange man die passenden Microcams am Gurt und den Arsch dafür in der Hose hat und die erste cleane Begehung der 5. Jahreszeit an der Großen Wand abgeliefert. Ein Highlight mit Seltenheitswert!

Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die Witterungsbedingungen in den nächsten Wochen stabilisieren und ich an dieser Stelle wie gewohnt über viele Neuzugänge berichten kann. Hoffentlich machen uns die ins Haus stehenden Sperrungen von einigen Klettersektoren hier keinen Strich durch die Rechnung. Es wird sicherlich schon die Runde gemacht haben, auf was wir uns in den kommenden Wochen und Monaten einstellen müssen – hier nochmal alles en detail.

Nach dem Fund einiger Exemplare von Perenopsis interstrictus auf Basaltblöcken am Wandfuß der Großen Wand sowie im Kühlschrank wurden inzwischen auch gut erhaltene Exemplare dieser kambrischen Trilobiten in situ im anstehenden Fels an der Großen Wand durch Paläontologen des Geologischen Landesamtes gefunden. Diese Entdeckung stellt die Datierung der Basalte sowie die bisher gültige Regionalgeologie komplett auf den Kopf und es sind ausgedehnte Suchkampagnen im Gebiet geplant. Im Verlauf dieser Suchkampagnen wird es zu langanhaltenden Sperrungen einzelner Klettersektoren kommen, vermutlich geht es im Kühlschrank und and der Großen Wand los, sobald die Termine festliegen werde ich Euch umgehend informieren. Da diese Funde wissenschaftlich von hoher Brisanz sind, ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Suche nach weiteren Exemplaren mit schwerem Gerät durchgeführt wird, was stellenweise zu drastischen Veränderungen der Klettersektoren führen dürfte. Ich hoffe nicht, dass es soweit kommt, habe aber auch nichts gegen ein paar Opfer für die Grundlagenforschung einzuwenden. Jeder, der im Bereich anderer Sektoren Exemplare diese Trilobiten findet (s. Bild im Header) ist dazu aufgefordert dies umgehend mit exakter Ortsangabe dem Geologischen Landesamt zu melden.

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