Recht stiefmütterlich habe ich mich in der letzten Zeit um das Klettergeschehen in den Gruben gekümmert und nachdem sich die beiden letzten News sommerlochfüllend mit so spannenden Themen wie Parkscheinautomaten, Parkgebühren und Parkmöglichkeiten gewidmet haben wird es nun allerhöchste Zeit, dass ich mich wieder dem Kernthema der News zuwende und darüber berichte, was sich in den vergangenen Monaten am Fels in Sachen Neutouren getan hat – erfreulicherweise kam da Einiges zusammen und noch erfreulicher ist, dass viele Routen absolut lohnend sind.
Los geht’s – wir starten im Kasparek-Theater. Hier haben Alex Preis, Daniel Limbach, Alex Horvath und Ralf Friedrich die Ärmel hochgekrempelt, die Umgebung des Wandfußes freigeschnitten, damit mehr Licht und Luft and die Wand kommen, diese somit schneller abtrocknen kann, den Pfad am Wandfuß gangbarer gemacht, dies insbesondere im Bereich des rechten Wandteils, einige der Altklassiker wie Psychothron und Magdeburger Quartier saniert und den Sektor um drei Neutouren bereichert, deren Erstbegehung alle auf das Konto von Alex Preis und Daniel gehen.
Mit der Orgasmatron VIII+ kletterte Alex eine knackige Variante im bestehenden Routennetz des linken Wandteils. Gestartet wird in der Dr. D und sobald ihr mit dem Kopf an der Dachkante anstoßt geht es nach rechts und mit einem strammen Cruxzug über das Dach in die Verschneidung der Hybrid Theory. Diese verlasst Ihr sofort wieder nach links und knifflige Züge an der Kante leiten dann in der Pfeilerausstieg der G, der sich nun mit einem zusätzlichen Haken am Beginn des Pfeilers deutlich entspannter klettern lässt. So kommen einige würzige Klettermeter beisammen, bei denen ein paar längere Exen von Vorteil sind, um Seilzug zu vermeiden.
Im zentralen Wandteil bietet der Firestarter VIII- eine tolle Einstiegsvariante zur Psychothron (oder wahlweise zur 39° Le Matin). Links vom Einstieg der Psychothron befördert Euch nickelige Wandkletterei unter einen Überhang, den Ihr mit voll ausgefahrenen Schwingen überwinden müsst, darüber geht es dann direkt in der klassischen Verschneidung der Psychothron mit exzellenter Kletterei bestens saniert weiter.
Die dritte im Bunde ist die Titty Twister VIII-. Rechts vom Butthole Surfer geht es an der abdrängenden Stelle am ersten Haken schon gleich zur Sache, dann folgt schöne Wandkletterei zu den prägnanten Bohrlöchern beim 2. Haken der Butthole Surfer. Die surft Ihr weiter bis unter die Ausstiegsverschneidung der Butthole Surfer an deren 3. Haken und folgt einer feinen und kniffligen Rissspur nach links zum Umlenker. Selbstredend kann die Titty Twister als schöne EV für den oberen Teil der Butthole Surfer oder für das Magdeburger Quartier geklettert werden.
Auch ich habe es mir nicht nehmen lassen in die ganze Erschließungsaktivität im Sektor reinzugrätschen und mit der Psychopompos VII+ eine interessante Einstiegsvariante zu Marcs Psycomania geklettert. Gestartet wird mit dem Einstiegsriss der Psychothron und an dessen Ende geht es nach rechts auf eine kleine Kanzel, von hier folgt ihr einer feinen Rissspur, die knifflig abzusichern ist, in gerade Linie in die tolle Ausstiegsverschneidung der Psycomania. Die in die Jahre gekommenen Schlingen am Drahtkabel habe ich zu Tale geschickt und einen soliden Umlenker gesetzt. Mit dieser Variante spart Ihr Euch die etwas heikle Querung des Originalweges aus der Psychothron in die Ausstiegsverschneidung.
An einem der staubtrockenen Julitage habe ich einen Abstecher in den Lonnenbunker, dem Drytool-Paradies des Gebietes gemacht. Die normalerweise triefend nasse Wand mit den Drytool-Routen war immer noch feucht, aber immerhin nicht so klitschnass, dass man nur mit Pickel und Steigeisen Land gewinnen konnte. Mit viel Akzeptanz für Glitsch und suboptimaler Reibung verpasste ich drei der bestehenden Drytool-Routen eine freie Begehung. Dabei schlägt die Coma im linken Wandteil mit VIII- zu Buche, ein kniffliger Zug in der Verschneidung vom 2. zum 3. Haken fordert hier volle Aufmerksamkeit. Auch die Ambulance Blues ging frei mit Verschneidungskletterei im VII. Grad und in der First Blood rechts davon wartet dann nach einem heftigem Aufrichter über dem 2. Haken mit zapfiger Wandkletterei vom 3. zum 4. Haken im VIII. Grad auf den geneigten Begeher. Auch die anderen Drytool-Routen im Sektor sollten freikletterbar sein, aber auf Grund der anhaltend miesen Bedingungen dort unten werdet Ihr nur alle Schaltjahre, und dann auch nur an dem bestimmten Tag X, dort halbwegs brauchbare Verhältnisse antreffen. Schade, immerhin ist die Felsqualität echt gut – das war es dann aber auch schon.
Zurück in trockenere Gefilde, in die Music Hall. Hier hat Alex Horvath Anfang September den Knaller des Monats mit der Erstbegehung der Ayahuasca 9+/10- abgeliefert. Die Linie führt den prallen Pfeiler zwischen Gräflicher Riss und Trance to Nature strack hinauf, dümpelte seit 2013 im Projektstatus herum und wurde jetzt, nach ein paar wenigen scharfen Versuchen, von Alex bei recht sommerlichen Temperaturen durchstiegen. Bis unter den 3. Haken bleibt noch Alles recht nachvollziehbar, doch dann folgt eine bizarre Kantenpassage auf die andere, toe- und heelhooks sind der Deal, die Griffmöglichkeiten an den Kanten ein schlechter Witz, wer sich Alex´ Beschreibung der Bewegungsabfolge anhört, dem schwirrt der Kopf. Die Tour gehört definitiv zu den ganz großen Kantenkrachern im Gebiet – auf Augenhöhe mit Merlin, Ritual, Rammstein und 1000 Tesla et al und mit den sich bessernden Temperaturen wird mit Spannung die 2. Begehung erwartet.
Ein paar Meter weiter rechts, zwischen Goldbärchen und Analstahl war noch Platz für die Di dubbia provenencia VII, die in direkter Linie vom Einstieg der Goldbärchen mit Wandkletterei eine Schuppenfolge erreicht und über dem zweiten Haken entlang einer feinen Rissspur den Umlenker der Analstahl ansteuert. Luftig geht’s zum ersten Haken, hier wird etwas längenzügig die Schuppe angesteuert und zum zweiten Haken hin dürft Ihr Euch auch nochmal ausfahren und etwas die Luft anhalten, da sich dieser Zug knapp im GFP-Bereich abspielt. Haken numero due wollte ich eigentlich etwas tiefer setzen, ging aber nicht aufgrund der Felsqualität im Bereich der Schuppen.
Ein weiteres liegen gelassenes Projekt befreite Alex am Schiffsbug. Mit Akimbo IX+ kletterte er de facto eine direkte Einstiegsvariante für La fleur sauvage. Die Route beginnt links der Flowerstreet und steuert den ersten Haken der La fleur sauvage in direkter Linie via anhaltend schweren und spannweitenabhängigen Boulderpassagen an glatten Kanten mit sehr dürftigem Trittangebot an, von hier muss dann nur noch die La fleur sauvage bis zum Umlenker ohne Benutzung der künstlichen Griffe absolviert werden, was für sich schon Seltenheitswert hat.
Nachzureichen am Schiffsbug gibt es noch Die 3 Fragezeichen, welche die Kante links der Drosoulites zu deren neuen Umlenker hinaufführt. Wer das Teil eingebohrt oder erstbegangen hat – keine Ahnung, jedenfalls fehlte das Bändel im ersten Haken, also steckte ich den Schwierigkeitsbarometer in die Tour und unter Benutzung aller Strukturen, die Ihr erreichen könnt, kommt der VII. Grad heraus. Ich vermute, dass geplant war komplett die stumpfe linke Begrenzungskante der Drosoulites zu klettern – ob es so gemacht wurde keine Ahnung, ob die Tour überhaupt schon geklettert wurde – no idea. Jedenfalls wird es ordentlich schwer, wenn Ihr nur an der Kante bleiben wollt.
Zu guter Letzt ein weiteres Dauerprojekt, das ich von seinem Projektstatus befreit habe. Rompe di coglioni VIII+ steigt rechts der Les Refractaires an der Kranwand ein, bietet schöne abdrängende Wandkletterei bei bester Absicherung, nach dem zapfigen Einstiegsboulder bleibt die Kletterei bis zum letzten Haken gängig, aber vom letzten Haken zum Umlenker kommt die kryptische Crux, da müsst Ihr erstmal darauf kommen, wie diese in dem Grad zu haben ist. Prädikat lohnenswert.
Das liest sich jetzt fast wie eine abschließende Inventur für das Kletterjahr, aber ich bin guter Dinge, dass in den kommenden Wochen noch ein paar gute Neutouren zusammen kommen. So langsam kommt die prime time für den Basalt – kühlere Temperaturen und hoffentlich lang anhaltende herbstliche Hochdruckdrucklagen für den Grip im Basalt und wenn ich sehe, wie stark Alex zur Zeit unterwegs ist wird er (und alle andere) keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um das Klettergebiet mit weiteren Neutouren zu bereichern. Da kommt noch was hinterher!