Dass ich mit einer News die gesamten Neutouren eines Jahres abfrühstücken kann, das hat es in der knapp ein Viertel Jahrhundert währenden Historie der Infos via unserer HP zu dem Geschehen in unseren Klettergebieten noch nicht gegeben. Die Gründe für dieses Novum dürften auf der Hand liegen, die magere Anzahl von sage und schreibe zwölf neuen Wegen wäre in einem Normaljahr gerade mal ausreichend für einen gesamten Monat gewesen. Von einem Normaljahr waren wir in allen Lebensbereichen weit entfernt, sodass die vollumfängliche Neutourenentschleunigung nur eine unerhebliche Randnotiz zum nationalen und globalen Geschehen bleibt. Nun denn, als Randnotiz mein Abgesang in Hinblick auf die Gruben für 2020.
Job van Hemerts, der mit der ersten Begehung der Masters Consent im Kühlschrank einen vielversprechenden Startschuss für 2020 abgeliefert hat, wurde von mir bereits in der News vom vergangenen April gebührend gewürdigt. Dass diese Route bis dato keine zweite Begehung gesehen hat spricht Bände, ein paar knackig kalte und trockene Wintertage in den kommenden Wochen, solche mit dem speziellen grip, sollten motivierte Aspiranten für die zweite Begehung nicht ungenutzt verstreichen lassen – das Zeitfenster ist sehr eng dafür und wenn die Zeitfensterflügel zuschlagen gibt es in der Tour mächtig einen auf die Finger.
Bei den restlichen Touren des Jahres könnt Ihr es gemütlicher angehen lassen und diese bei geeigneten Verhältnissen unter die Hufe nehmen.
Nachdem Maximilian Meyer seine Projekte im Lonnenloch auf Grund dessen Totalsperrung nicht vollenden konnte, musste er Ausschau nach einem anderen Betätigungsfeld halten – und er wurde im kurzen Wandteil der Zwischenwelt rechts der Jane Lane fündig, grub dort insgesamt fünf Projekte aus und zwei davon konnte er bereits erstbegehen. Die Wallnusskante VI+ rechts der Jane Lane eine gelungene und sehr gut abgesicherte Kantenkletterei, die im oberen Teil erfreulich knifflige Kletterei bietet und der Souvenirjäger V+ in der Verschneidung rechts davon, eine bestens selbst abzusichernde Risskletterei, die von der letzten Sicherung an einem kleine Dächlein beherztes Lossteigen zum Umlenker abfordert. Die Lage der Touren im nordseitig ausgerichteten Sektor machen diese ideal für heiße Sommertage und jeder sollte sich diese feinen Wege für den kommenden Sommer vormerken.
Gleiches gilt für Alex Preis Die Schöne aber kein Biest VIII- an der Höllentorwand. Mit dieser knackigen Kantenkletterei hat er seine Familientrilogie in diesem Wandbereich vollendet und in der Schönen geht es vom namengebenden Wackelblock der Wackelzahn zunächst zapfig piazend in der Verschneidung hoch, auf Höhe des zweiten Hakens dann nach links zur Kante und diese folgt Ihr in nicht ganz trivialer Kantenkletterei hinauf zum Umlenker. Wer Bock darauf hat und sich eine richtig derbe Kantennummer zurechtdefinieren möchte, der kann ab dem Wackelblock gnadenlos an der Kante bleiben, definiert sich die Verschneidung rechts weg und nimmt mutig den Kampf gegen die offenen Türen auf.
Mit Mutwille stark definiert die Broken Arrow VII+/VIII- zwischen Flutschfinger und EAER 54 im Kühlschrank. Die beiden Risskanten klafternd geht es hinauf unter eine auffällige leicht abdrängende Kante und an dieser kerzengerade hoch zum Haken der EAER 54, dann weiter zum Umlenker der Flutschfinger. Interessante und etwas luftige Absicherung sowie eine knifflige Stelle an der Kante ist angesagt, die durchaus als längenabhängig bezeichnet werden kann.
Etwas definiert kommt auch Markus Köhlers treffend benamtes Kontaktverbot IX- am Yosemite Wändchen daher. Die Linie der Route ist evident, es geht strack die Kante zwischen Durchzieher und Nasenbär hinauf. Die eigenständige und heftige Cruxpassage kommt bereits im unteren Teil der Kante, weiter oben sind die großen Griffe rechter Hand in der Nasenbär tabu, also immer schön die kleinen Leisten in der Wand kratzen und tapfer an der Kante bleiben, so bleibt die Route vom ersten bis zum letzten Zug eine Topkletterei, die keine Wünsche offen lässt. Klasse Neuzugang am Yosemite Wändchen und auch machbar, wenn etwas Regen fällt.
Ebenfalls kantig die Kurze Lunte, großer Knall VIII- an der Schatzinsel rechts der Trésor. Vor der kurzen Kante stehend denkt man erst „Naja“, loskletternd dann schnell „Oha!“. Eine typische Kurzstreckenpeitsche a la Swen, die trotz der wenigen Meter das Pülslein schnell nach oben treibt und interessante Passagen in petto hat. Macht definitiv Spaß.
Kurz und knackig die Risslinie der Ano-Roc VIII links vom Killing Joke in der Märchenwelt. Ein Ewigprojekt von Gereon, dass mal locker 10 Jahre auf dem Buckel hatte und im Mai kurzerhand von Magdalena Trzemzalska von seinem Projektstatus erlöst wurde. Fiese Risskletterei in einer feinen Rissspur ist angesagt, die ersten Meter heftig für alle, die mit etwas dickeren Fingern anrücken und auch absicherungstechnisch auf den ersten Metern nicht geschenkt. Wer noch ein paar Extrameter machen will, der quert an der Scharte unterhalb des Umlenkers an dem auffälligen Querriss nach links heraus und folgt dan dem auffälligen Doppelriss zum Umlenker der Pars pro toto. Das ist dann die Power in Peace Pelle, von Tim Trögeler erstbegangen, die Crux der Ano-Roc nehmt ihr mit und die Querung zum Doppelriss verlangt nochmal technische Finesse.
Bei einem Kurzbesuch des Gebiets konnte Sven Frings endlich seinen Flitterriss VI begehen, eine Einstiegsvariante zum Hangover im Westkessel, die aus der Einstiegsverschneidung der Human meat bomb linkshaltend hinaufspreizend den Haken ansteuert und von dort auf das Band unter die Doppelrisse der Hangover führt. Wer sich die Sache mit einem kniffligen Bouldereinstieg etwas aufpeppen will steigt entlang der Rissspur vom Fuß des Pfeilers direkt zum Haken hinauf. Eine Projektaltlast weniger im Gebiet – es geschehen noch Zeichen und Wunder – gute 10 Jahre durften wir auf den Flitterriss warten, für das Ewigprojekt von Florian in der Zwischenwelt bin ich sehr guter Hoffnung, dass wir in Bälde locker die 20 Jahre Däumchendrehen voll bekommen.
Jetzt zu den zwei letzten Neurouten dieser News, die auf das Konto von Wolfgang Kehren gehen und ganz rechts im Sektor Crazy Aps zu finden sind. Die Baustraße III führt durch die leichte Verschneidung rechts der Chapa loca zu deren Umlenker, easy going all the way das Markenzeichen. Rechts um die Kante herum bietet die Verschneidung der HarzZwo.Null IV schon mehr Kletterei, zumindest in der moosigen Verschneidung, die hinauf auf das große Band des Sektors führt. Vom Stand auf dem Band kann, wer will, zum Gipfelglück durch einen Doppelriss rechts des Pilier Corunnes zum Grat ausgestiegen werden.
Das war es auch schon mit den Neutouren für 2020 und bei der übersichtlichen Auswahl ist es mir ein Leichtes den diesjährigen Goldenen Weckhammer unter das Volk zu bringen. Nur eine Route konnte die Jury in den Bewertungskriterien Linienführung, Klassikerpotential, Eigenständigkeit und Schwierigkeit überzeugen – Jobs Masters Consent erringt in diesem Jahr den immer wieder hart umkämpften Preis, mit weitem Abstand zu den anderen Bewerbern. Proficiat Job!
Einen elegischen Jahresrückblick erspare ich Euch, mal abgesehen davon, dass im Jahreslauf doch einige schöne Klettertage herausgesprungen sind, der ein oder andere mit Sicherheit ein lang belagertes Projekt geschafft hat oder mit einem unvermuteten on sight sich selbst überrascht hat – so richtig dolle war es nicht. Doch trotz Allem können ein paar – sehr subjektive – positive Aspekte an den Haaren herbei gezogen werden.
Da wäre zum einen, dass sich die Wallungen im Gebiet wegen den gehäuften Übernachtungen auf den Parkplätzen während des ersten Lockdowns schnell gelegt haben. Nach einer kurzen Weile haben das die meisten verstanden und eingehalten, sodass wir von Klettersperrungen seitens der Gemeinden, wie in vielen anderen klettergebieten im Umkreis, verschont bieben. In der Folge waren Klettersperrungen auf keiner Agenda zu finden und wenn es für den einen oder anderen gefühlt zu voll im Gebiet gewesen sein sollte – so what. Wenn rundherum die Hallen dicht sind und flächendeckend Gebiete gesperrt sind, dann ist das ebenso und wenn dadurch persönliche Befindlichkeiten in Mitleidenschaft gezogen werden, dann hilft wie all die Jahre ein Wechsel des Sektors. Diese Taktik wird Gold wert sein, wenn im Frühjahr 2021 die ersten schönen Tage kommen, da wird Corona noch lange nicht seine Peplomere eingezogen haben und insbesondere an den Wochenenden wird es im Gebiet brummen – wie all die Jahre zuvor seit der Erfindung des Basaltkletterns. So handle accordingly.
Zum anderen – und jetzt muss ich für das Positive echt an den Haaren ziehen – die Sperrungen der Finsterlay und des Dornentals, die in diesem Sommer von unserem im Mayener Gebiet amoklaufenden Jägermeister initiiert worden sind. Viel hat sich in dieser Hinsicht nicht getan, wir sind aber nach wie vor dabei mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen, wobei einige bestimmte Personen sich jeglichen Gesprächs verweigern oder wenn es dazu kommt gleich durchdrehen. Zum Positiven in dieser Sache, wir werfen die Flinte nicht ins Korn und hier nochmal mein ganz besonderer Dank an Hendrik, der nicht nur hier mit viel Herzblut und mit viel Einsatz für das Klettergebiet kämpft.
Last but not least etwas wirklich Erfreuliches, obwohl der Grund dafür ganz unten auf der Gaudium-Skala einzuordnen ist. Als mich die ersten Details zu dem schweren Unfall an der Großen Wand im Oktober erreichten, da gefror mir erst einmal das Blut in den Adern – es sah alles andere als gut aus. Dass unter allen gegebenen Umständen doch alles soweit gut ausgegangen ist, für mich eines der Highlights des Jahres. Klar, bei allen beteiligten wird dieser Tag Spuren hinterlassen, doch das durchaus mögliche worst case szenario blieb glücklicherweise aus und der Stier von Mendig wird bald wieder die Gruben umpflügen. Bis dahin, weiterhin meine herzlichsten Genesungswünsche an seine Adresse.
Mein parting shot für 2020 geht an Rainer, Daniel und Kerstin – ohne Eure Unterstützung beim Relaunch der HP gäbe es diese Jahresabschlussnews nicht, mein in Normalzeiten monatliches Geschwurbel zum Gebiet wäre history. Aber, es geht weiter und hoffentlich 2021 mit einer etwas höheren (An)Schlagzahl. Danke!
Somit kann sich 2020 vom Acker machen, hoffen wir auf ein sich peu a peu besserndes 2021 – take care, stay safe und bleibt gesund.